Konstruktion einer Husserl-motivierten Theorie

mit Modellen:

Sondierung von Grundbegriffen und Grundaxiomen








AUTHOR: Dr. Gerd Döben-Henisch
FIRST DATE: July-31, 1996
DATE of LAST CHANGE: July-31, 1996






Als herausragende Kandidaten für erste Grundbegriff dürften bei Husserl die Begriffe ‚Intentionalität' und ‚Bewußtsein' gelten.

<Bewußtsein>

Husserl umschreibt Bewußtsein als ‚Bewußtsein von etwas' (cf. 174). Es ist die „Urkategorie des Seins überhaupt (...), in der alle anderen Seinsregionen wurzeln". (141) Die Kategorienlehre muß vom ‚Sein als Bewußtsein' und vom ‚Sein als sich im Bewußtsein ‚bekundendes' ‚transzendentes' Sein' (141) als zwei Grundformen des Seins ausgehen. In dieser grundlegenden Funktion konstituiert Bewußtseins alle ‚Erlebniszeitlichkeit' (171).

<Intentionalität>

‚Bewußtsein von etwas haben' wird von Husserl aber auch als ‚Intentionalität' bezeichnet. Intentionalität „trägt alle Erlebnisse in sich", intentionale (nicht-reelle) wie auch nicht-intentionale (reelle) (cf. 167f, 171, 181). Er sagt: „Die Intentionalität ist es, die Bewußtsein im prägnanten Sinne charakterisiert, und die es rechtfertigt, zugleich den ganzen Erlebnisstrom als Bewußtseinsstrom und als Einheit eines Bewußtseins zu bezeichnen." ( 167f)

<Reines Ich>

Das Sein des Bewußtseins zeigt sich als das ‚reine Subjekt des Aktes'. Im ‚Gerichtetsein auf'', ‚Beschäftigtsein mit', in ‚Stellungnahmen zu', im ‚Erfahren, Leiden von' zeigt es in seinem Wesen notwendigerweise, daß es eben ein ‚von dem Ich dahin' oder im umgekehrten Richtungsstrahl ‚zum Ich hin' ist, und dieses Ich ist das ‚reine', ihm kann keine Reduktion etwas anhaben. Das ‚erlebende Ich' ist nichts, was für sich genommen und zu einem eigenen Untersuchungsobjekt gemacht werden könnte. Von seinen ‚Beziehungsweisen' oder ‚Verhaltungsweisen' abgesehen, ist es ‚völlig leer an Wesenskomponenten', es hat ‚garkeinen explikablen Inhalt', es ist an und für sich ‚unbeschreiblich': ‚reines Ich' und nichts weiter. (cf. Hua III.1, 160) An anderer Stelle schreibt er: „Der Strahl trennt sich nicht vom Ich, sondern ist selbst und bleibt Ichstrahl. Das ‚Objekt' ist betroffen, Zielpunkt, nur zum Ich (und von ihm selbst) in Beziehung gesetzt aber nicht selbst ‚subjektiv'. Eine Stellungnahme, die den Ichstrahl in sich trägt, ist dadurch Akt des Ichs selbst, das Ich tut oder leidet, ist frei oder bedingt. Das Ich ... ‚lebt' in solchen Akten. Dieses Leben bedeutet nicht das Sein von irgendwelchen ‚Inhalten' in einem Inhaltsstrome, sondern eine Mannigfaltigkeit von beschreibbaren Weisen, wie das reine Ich in gewissen intentionalen Erlebnissen, die den allgemeinen modus des cogito haben, als das ‚freie Wesen', das es ist, darinnen lebt. Der Ausdruck ‚als freies Wesen' besagt aber nichts anderes als solche Lebensmodi des Aus-sich-frei-herausgehens oder in-sich-zurückgehens, des spontanen Tuns, des von den Objekten etwas Erfahrens, Leidens usw. Was außerhalb des Ichstrahls, bzw. des cogito im Erlebnisstrome vonstatten geht, das ist wesentlich anders charakterisiert, es liegt außerhalb der Ichaktualität und hat doch, wie wir früher schon angedeutet haben, Ichzugehörigkeit insofern, als es das Feld der Potentialität für freie Akte des Ich ist."(Hua III.1, 192)


Dieses Cogitative, das sich in den Ichzuwendungen manifestiert, ist aber nach Husserl nur eine besondere Modalität der Intentionalität, nicht die ganze Intentionalität selbst, denn nicht in jedem Erlebnis ist eine Ichzuwendung zu finden, obgleich das Erlebnis qua Erlebnis Intentionalität in sich bergen kann. So ist z.B. klar, „daß der gegenständliche Hintergrund, aus dem sich der cogitativ wahrgenommene Gegenstand dadurch heraushebt, daß ihm die auszeichnende Ichzuwendung zuteil wird, wirklich erlebnismäßig ein gegenständlicher Hintergrund ist. D.h. während wir jetzt dem reinen Gegenstand in dem modus ‚cogito' zugewendet sind, ‚erscheinen' doch vielerlei Gegenstände .... fließen zu der anschaulichen Einheit eines bewußten Gegenstandsfeldes zusammen. Es ist ein potentielles Wahrnehmungsfeld in dem Sinne, daß sich jedem so Erscheinenden ein besonderes Wahrnehmen (ein gewahrendes cogito) zuwenden kann;... „ (Hua III.1, 168f)

Husserl prägt daher auch die Formulierung, daß die ‚Urform des Bewußtseins' ‚ein reines Ich' und ‚ein Erlebnisstrom' sei (cf. Hua III.1, 166) bzw. daß ‚ein reines Ich' und ‚ein nach allen drei Dimensionen [der Zeit] erfüllter ... Erlebnisstrom' notwendige Korrelate sind (cf. Hua III.1, 165)


<So und so Gegebenes>

Im „Bewußthaben eines so und so gegebenen Bestimmten oder Bestimmbaren" zeigt sich das ‚Etwas' als „ein Gegenüber, ein prinzipielles Anderes, Irreelles, Transzendentes" (cf. 204). Es ist dies das Sein ‚als sich im Bewußtsein bekundendes, das Husserl auch ein ‚transzendentes' Sein nennt (s.o.). An anderer Stelle spricht Husserl auch von ‚cogitationes', ‚intentionalen Erlebnissen', ‚Bewußtseinsmomenten' oder ‚Bewußtheiten' (cf. 174). Statt vom reinen Ich spricht Husserl bisweilen auch vom ‚reinen Subjektiven'. Im notwendigen Aufeinanderbezogenheit unterscheidet er das ‚Erlebnis selbst' vom ‚reinen Ich' des Erlebens bzw. ‚das reine Subjektive der Erlebnisweise' und ‚der übrige, sozusagen ich-abgewandte Gehalt des Erlebnisses'. (cf. Hua III.1, 161)

Aufgrund der wesensnotwendigen Intentionalität gilt, ‚daß kein konkretes Erlebnis als ein im vollen Sinne Selbständiges gelten kann'. Jedes ist ‚ergänungsbedürftig' hinsichtlich eines, seiner Art und Form nach nicht beliebigen, sondern gebundenen Zusammenhanges. Dies gilt nicht nur unter dem Gesichtspunkt der ‚zeitlichen Folge', sondern auch unter dem Gesichtspunkt der ‚Gleichzeitigkeit'. Das besagt, daß jedes Erlebnis jetzt einen ‚Horizont von Erlebnissen' hat. (cf. Hua III.1, 165, 167) Für jedes beliebige Erlebniss gilt, daß es unter eine der drei Dimensionen des' Vorher', des ‚Nachher' oder des ‚Gleichzeitig' fällt. Bezüglich dieser Dimensionen ist der Strom zeitlicher Erlebniseinheiten streng abgeschlossenen. (cf. Hua III.1, 165)

<Erlebnisstrom als Kantische Idee>

Der Begriff des ‚Erlebnisstroms als Einheit' basiert nicht auf einem singulären Erlebnis, sondern entsteht nach Husserl in der Weise einer ‚Idee im Kantischen Sinne'. Er ist ‚ein absolut zweifellos Gegebenes'. Diese Zweifellosigkeit, obschon auch sie auf Intuition gründet, hat eine ganz andere Quelle als diejenige, die für das ‚Sein von Erlebnissen' besteht, die also in ‚immanenter Wahrnehmung zu reiner Gegebenheit kommen'. Es ist eben das Eigentümliche ‚der eine Kantische Idee erschauenden Ideation', die ihre Einsichtigkeit nicht deshalb einbüßt, weil die adäquate (166) Bestimmung ihres Inhaltes, hier des Erlebnisstromes, unerreichbar ist. (cf. Hua III.1, 167)

<Reflexion>

Husserl versteht unter ‚Reflexion' „ein Titel für Akte, in denen der Erlebnisstrom mit all seinen mannigfachen Vorkommnissen (Erlebnismomenten, Intentionalien) evident faßbar und analysierbar wird. Sie ist ... der Titel der Bewußtseinsmethode für die Erkenntnis von Bewußtsein überhaupt. In eben dieser Methode wird sie selbst aber zum Objekt möglicher Studien..." (Hua III.1, 147) Nur durch „reflektiv erfahrende Akte allein wissen wir etwas vom Erlebnisstrom und von der notwendigen Bezogenheit desselben auf das reine Ich." (Hua III.1, 150)

Jederlei ‚Reflexion' hat überdies den Charakter einer ‚Bewußtseinsmodifikation', „und zwar einer solchen, die prinzipiell jedes Bewußtsein erfahren kann. Von Modifikation ist hier insofern die Rede, als jede Reflexion wesensmäßig aus Einstellungsänderungen hervorgeht, wodurch ein vorgegebenes Erlebnis, bzw. Erlebnisdatum (das unreflektierte) eine gewisse Umwandlung erfährt, eben in den Modus des reflektierten Bewußtseins (bzw. Bewußten). Das vorgegebene Erlebnis kann selbst schon den Charakter eines reflektierten Bewußtseins von etwas haben, so daß die Modifikation von einer höheren Stufe ist; aber zuletzt kommen wir zurück auf absolut unreflektierte Erlebnisse und ihre reellen oder intentionalen Dabilien. Wesensgesetzlich kann nun jedes Erlebnis in reflektive Modifikationen übergeführt werden, und das nach verschiedenen Richtungen, die wir noch genauer kennenlernen werden." (Hua III.1, 148) Dies bedeutet, daß unter den Begriff der Reflexion alle Modi immanenter Wesenserfassung und andererseits immanenter Erfahrung fallen. (cf. Hua III.1, 148)

<Reflexion, reines Ich, Iteration>

„Jedes Ich erlebt seine Erlebnisse, und in diesen ist mancherlei reell und intentional beschlossen. Es erlebt sie, das besagt nicht, es hat sie und das in ihnen Beschlossene ‚im Blicke' und erfaßt sie in der Weise immanenter Erfahrung oder einer sonstigen immanenten Anschauung und Vorstellung. Jedes Erlebnis, das nicht im Blicke ist, kann nach idealer Möglichkeit zum ‚erblickten' werden, eine Reflexion des Ich richtet sich darauf, es wird nun zum Objekt für das Ich. Ebenso verhält es sich mit den möglichen Ichblicken auf die Komponenten des Erlebnisses und auf seine Intentionalitäten (auf das, wovon sie evtl. Bewußtsein sind). Die Reflexionen sind abermals Erlebnisse und können als solche Substrate neuer Reflexionen werden, und so in infinitum, in prinzipieller Allgemeinheit." (Hua III.1, 145; cf. auch 147)

Es ist somit die Reflexion, näher die ‚reflektierte Wesensintuition', durch die die Phänomenologie in die Lage versetzt ist, über unreflektierte Erlebnisse Wesensfeststellungen machen zu können. (cf. Hua III.1, 153) „Die Phänomene der Reflexion sind in der Tat eine Sphäre reiner und evtl. vollkommen klarer Gegebenheiten. Es ist eine jederzeit erreichbare, weil unmittelbare Wesenseinsicht, daß vom gegenständlich Gegebenen als solchem aus eine Reflexion möglich ist auf das gebende Bewußtsein und sein Subjekt; vom Wahrgenommenen ... auf das Wahrnehmen; vom Erinnerten ... auf das Erinnern...usw. ... Es ist evident, daß wesensmäßig -...- nur durch Reflexionen dieser Art so etwas wie Bewußtsein und Bewußtseinsinhalt (in reellem oder intentionalem Sinn) erkennbar ist." (Hua III.1, 156f)


<Modus>

Zur Eigenart von Bewußtseinsmomenten/ Erlebnissen gehört, daß sie einen ‚Modus', haben. Synonyme Begriffe für ‚Modus' sind ‚Weise des Gegebenseins' und ‚Charaktere' (cf. 184, 193, 194). Der Modus legt fest, ‚Wie' etwas als Erlebnis gegeben ist.

Dies ist darauf zurückzuführen, daß jedes Erlebnis als Moment an der übergreifenden Intentionalität den Bedingungen dieser Intentionalität unterliegt: „Jedes Erlebnis ist in sich ein Fluß des Werdens, es ist was es ist, in einer ursprünglichen Erzeugung von einem unwandelbaren Wesenstypus; ein beständiger Fluß von Retentionen und Protentionen vermittelt durch eine selbst fließende Phase der Originarität, in der das lebendige Jetzt des Erlebnisses gegenüber seinem ‚Vorhin' und ‚Nachher' bewußt wird. Andererseits hat jedes Erlebnis seine Parallelen in verschiedenen Formen der Reproduktion, die wie ideelle ‚operative' Umformungen des ursprünglichen Erlebnisses angesehen werden können: jedes hat sein ‚genau entsprechendes' und doch durch und durch modifiziertes Gegenstück in einer Wiedererinnerung, ebenso in einer Vorerinnerung, in einer möglichen bloßen Phantasie und wieder in den Iterationen solcher Abwandlungen" (Hua III.1, 149)




<Stoff und Form/ Noesen>

In diesen Kontext gehört Husserls Unterscheidung von ‚formlosen Stoffen' und ‚stofflosen Formen' (cf. 173).

Er nimmt an, daß die Erlebnisse sich unter anderem aus solchen Gegebenheiten konstituieren, die das Bewußtsein aus sich heraus nicht selbständig verändern kann (= formlose Stoffe). Dazu gehören ‚sensuelle' bzw. ‚sinnliche Erlebnisse', wobei Husserl zum Begriff des ‚Sinnlichen' nicht nur die ‚äußere Anschauung' zählt, sondern beispielsweise auch ‚Gefühle', ‚Triebe' und den ‚Willen' (cf. 173). Er spricht in diesem Zusammenhang auch von ‚sensueller hyle', von ‚hyletischen Stoffen/ Data', von ‚hyle' oder einfach von ‚Stoff' (cf. 172, 173, 175).

Den formlosen Stoffen setzt Husserl die ‚stofflosen Formen' gegenüber, die ‚Morphe' (cf. 172, 173, 175). Die Formen verleihen dem Stoff ‚Sinn', bringen ihn in eine bestimmten ‚Funktionszusammenhang' bzw. sind die Manifestationen von Funktionszusammenhängen. Husserl spricht mehrfach von einer ‚Beseelung des Stofflichen' durch die ‚Konstituierung von Einheit in der Mannigfaltigkeit' (cf. 176). In Anlehnung an den griechischen Begriff Nous für sinnverleihende Vernunft spricht er hier deshalb auch von der ‚noetischen Funktion' des Bewußtseins bzw. direkt von ‚Noesen' (cf. 176, 181).

<Noesis und Noema>

Die Noesen sind also offenbar die konkreten einheitsstiftenden Leistungen des Bewußtseins, die, bezogen auf eine bestimmte stoffliche Mannigfaltigkeit, eine je konkrete Einheit (transzendental) konstituieren. Diese resultierende Einheit ist ein Gegebenes, das Husserl als ‚Erlebnis als solches', als ‚Erscheinende als solches', den ‚noematischen Gehalt' bzw. das ‚noematische Korrelat' der Noesen nennt (cf. 181, 182f, 183, 204). In Anlehnung an den modernen Funktionsbgriff könnte man hier auch sagen, daß eine konkrete Noese eine Abbildung von formlos Stofflichem in eine formierte Einheit darstellt und der noematische Gehalt korrespondiert dann mit dem Wertebereich dieser Funktion, nicht mit der ganzen Funktion! Dies ist ein wichtiges Detail, da Husserl sehr oft in einer Weise von der notwendigen Korrelation von Noesis und Noema spricht, die auf den ersten Blick eine Gleichsetzung von beiden nahezulegen scheint (cf. 189, 193, 199f), die aber inhaltlich nicht gerechtfertigt wäre.

Vom noematischen Korrelat schreibt Husserl, daß es „genau so zu nehmen [ist], wie es im Erlebnis der Wahrnehmung des Urteils, des Gefallens usw. ‚immanent' liegt, d.h. wie es, wenn wir rein dieses Erlebnis selbst befragen, von ihm dargeboten wird." (182). Das ‚Erlebnis selbst' unter Absehung seiner möglichen ‚Existenz' in einer möglichen ‚transzendenten' Außenwelt konstituiert den Bereich dessen, was in der sogenannten ‚phänomenologischen Einstellung' erfaßt werden kann. Hier ist für Husserl dann der genuine Ort, die Wesensfrage zu stellen, nämlich was das ‚Wahrgenommene als solches' sei, welche ‚Wesensmomente' es ‚in sich selbst', als dieses Wahrnehmungs-Noema, berge. Nach Husserl erhalten wir die Antwort ‚in reiner Hingabe an das wesensmäßig Gegebene', wir können das ‚Erscheinende als solches' ‚getreu', in ‚vollkommener Evidenz' beschreiben. Nur ein anderer Ausdruck dafür ist: ‚die Wahrnehmung in noematischer Hinsicht beschreiben' (cf. 183).


<Phänomenologisches Messen>

Diese ‚getreue Widergabe' des in einer phänomenologischen Einstellung ‚Geschauhten' beschreibt Husserl wie folgt: „Hat man die rechte Einstellung gewonnen und durch Übung befestigt, vor allem aber, hat man den Mut gewonnen, in radikaler Vorurteilslosigkeit, um alle umlaufenden und angelernten Theorien unbekümmert, den klaren Wesensgegebenheiten Folge zu leisten, so ergeben sich alsbald feste Resultate, und bei allen gleich Eingestellten die gleichen; es ergeben sich feste Möglichkeiten, das selbst Gesehene anderen zu vermitteln, ihre Deskriptionen nachzuprüfen, die unbemerkten Einmengungen von leeren Wortmeinungen zur Abhebung zu bringen, Irrtümer, die auch hier, wie in jeder Geltungssphäre möglich sind, durch Nachmessung an der Intuition kenntlich zu machen und auszumerzen."(Hua III.1, 180)

„Mit minutiöser Sorgfalt müssen wir nun darauf achten, daß wir nichts anderes, denn als wirklich im Wesen Beschlossenes dem Erlebnis einlegen, und es genau so ‚einlegen', wie es eben darin ‚liegt'."(Hua III.1, 188)

„Aber eines dürfen und müssen wir anstreben, daß wir in jedem Schritt getreu beschreiben, was wir von unserem Augenpunkte aus und nach ernstestem Studium wirklich sehen. Unser Verfahren ist das eines ernsten Forschungsreisenden in einem unbekannten Weltteile, der sorgsam beschreibt, was sich ihm auf seinen ungebahnten Wegen, die nicht immer die kürzesten sein werden, darbietet. Ihn darf das sichere Bewußtsein erfüllen, zur Aussage zu bringen, was nach Zeit und Umständen ausgesagt werden mußte und was, weil es treuer Ausdruck von Geschehenem ist, immerfort seinen Wert behält - ...In gleicher Gesinnung wollen wir im weiteren getreue Darsteller der phänomenologischen Gestaltung sein und uns im übrigen den Habitus der inneren Freiheit auch gegen unsere Beschreibungen wahren." (Hua III.1, 201)

Ansatzweise ist sich Husserl der Problematik der sprachlichen Ausdrucksmittel bewußt, wenn er z.B. schreibt: „Benennungen bekunden hier schon Deutungen und oft sehr falsche." (185f)

<Reell, Realität>

Der Begriff der ‚Realität' bzw. des ‚Reellen' bekommt bei Husserl einen dreifachen Klang: (i) Die Kernbedeutung von ‚reell' ist primär gebunden an den hyletischen Stoff, an das, was sich dem Bewußtsein gegenüber als das ganz Andere zeigt (cf. 203). (ii) Verbunden mit der Setzung einer sekundären, abgeleiteten Existenz in der ‚transzendenten' Außenwelt wird der Begriff der Realität auf Eigenschaften jener Gegenstände übertragen, von denen gesagt wird (Setzung!), daß sie eine Außenweltexistenz haben (cf. 184). (iii) Eine analoge Übertragung der Eigenschaft des Reellen vom Hyletischen auf anderes findet sich dort, wo Husserl feststellt, daß „nicht nur die hyletischen Momente (...), sondern auch die beseelenden Auffassungen -also beides in eins: auch das Erscheinen von der Farbe, dem Tone und so jedweder Qualität des Gegenstandes- ... zum ‚reellen' Bestande des Erlebnisses [gehört]." (203f)


<Immanenz>

Der Bereich der Immanenz bezieht sich auf den Bereich der Erlebnisse als solche, so, wie sie sich ‚direkt', ‚unmittelbar', in ‚reiner Evidenz' darbieten, und meint genauerhin dasjenige, was sich ‚an' und ‚in' diesen Erlebnissen ‚immanent' zeigt (cf. 182, 184). ‚Immanente Gegebenheiten' sind synonym mit jenen Gegebenheiten, die sich in der ‚phänomenologischen Reduktion' zeigen (cf. 183). Der Ausdruck ‚reine Immanenz' ist daher ein Pleonasmus (cf. 183, 202).

<Transzendenz>

Das sich im Bewußtsein ‚bekundende' ‚transzendente' Sein (s.o.) sind jene Erlebnisse, denen über das Erlebnis als solches hinaus eine spezielle, sprich empirische, Existenz zugesprochen wird. Transzendente Dinge implizieren einen transzendenten Raum. (cf. Hua III.1, 182)




<transzendental>

Transzendentale Strukturen erschließen sich in der Ausrichtung auf die immanenten Strukturen bei gleichzeitiger Nivellierung von Existenzaussagen: „Die Bezeichnung der phänomenologischen Reduktion und im gleichen der reinen Erlebnissphäre als ‚transzendentaler' beruht gerade darauf, daß wir in dieser Reduktion eine absolute Sphäre von Stoffen und noetischen Formen finden, zu deren bestimmt gearteten Verpflechtungen nach immanenter Wesensnotwendigkeit dieses wunderbare Bewußthaben eines so und so gegebenen Bestimmten oder Bestimmbaren gehört, das dem Bewußtsein selbst ein Gegenüber, ein prinzipielles Anderes, Irreelles, Transzendentes ist, und daß hier die Urquelle ist für die einzig denkbare Lösung der tiefsten Erkenntnisprobleme, welche Wesen und Möglichkeit objektiv gültiger Erkenntnis von Transzendentem betreffen. Die ‚transzendentale' Reduktion übt epoche (gr) hinsichtlich der Wirklichkeit: aber zu dem, was sie von dieser übrig behält, gehören die Noemen mit der in ihnen selbst liegenden noematischen Einheit, und damit die Art, wie Reales im Bewußtsein selbst bewußt und speziell gegeben ist. Die Erkenntnis, daß es sich hier durchaus um eidetische, also unbedingt notwendige Zusammenhänge handelt, eröffnet für die Forschung ein großes Feld, das der Wesensbeziehungen zwischen Noetischem und Noematischem, zwischen Bewußtseinserlebnis und Bewußtseinskorrelat."(HUa III.1, 204f)

„In der Wesensbeziehung zwischen transzendentalem und transzendenten Sein gründen die von uns schon wiederholt berührten, aber später noch tiefer zu erforschenden Beziehungen zwischen der Phänomenologie und allen anderen Wissenschaften, Beziehungen, in deren sinn es liegt, daß der Herrschaftsbereich der Phänomenologie in gewisser merkwürdiger Weise über alle die anderen Wissenschaften sich erstreckt, die sie doch ausschaltet." (Hua III.1, 142)


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