Bewußtseinssimulatoren als Instrumente der Linguistik?
AUTHOR: Dr. Gerd Döben-Henisch
FIRST DATE: June-13 1996
DATE of LAST CHANGE: June-13 1996
Erster Aufriß für eine Bewußtseinsstruktur
- Da die theoretische Ausarbeitung zur Bewußtseinsstruktur der Knowbots in KIP II noch nicht abgeschlossen ist, kann hier nur eine erste, vorläufige Skizze dieser Strukturen gegeben werden.
- Die leitende Absicht ist dabei weniger, die technischen Details herauszustellen -die sich erfahrungsgemäß relativ häufig ändern-, sondern den prinzipiellen Charakter dieser Vorgehensweise zu veranschaulichen, um so die mögliche Relevanz der Knowbots für die Theoriebildung einer Klärung zuzuführen.
- Die allgemeine Annahme besteht darin, daß für die Zwecke des situationsabhängigen Spracherwerbs sowie des Sprachgebrauchs mindestens die folgenden Komponenten gegeben sein müssen:
- Perzeption
- Es wird eine multimodale sensorische Wahrnehmung angenommen, deren konkrete Wertverläufe durch (i) Ereignisse einer vorausgesetzten künstlichen Modellwelt und (ii) durch Ereignisse in einem vorausgesetzen künstlichen Körper beeinflußt werden.
- In KIP II werden nach Voraussetzung primär nur die phänomenologischen Strukturen analysiert. Die physiologischen Strukturen und Prozesse als 'Black Box' betrachtet, die zunächst leer ist, die aber zu einem späteren Zeitpunkt, falls genügend Wissen und Computerleistung verfügbar ist, durch konkrete Mechanismen ersetzt werden kann.
- Die Wahrnehmung liefert sogenannte konzeptuelle Basis-Elemente, auf die dann das konzeptuelle System aufsetzt.
- Eine dynamische Situationsrepräsentation
- Der Knowbot ist in der Lage, zu jedem Zeitpunkt eine räumliche Repräsentation seines eigenen Körpers und der anderen sinnlich erfahrbaren Körper auf der Basis seiner Sinnesdaten aufzubauen.
- Dieses Grundmodell läßt sich mehrfach mit zusätzlichen Objektqualitäten, Relationen zwischen Objekten und Vorgängen 'überlagern'. Die Überlagerung geschieht durch Interaktion zwischen Situationselementen und primär dem konzeptuellen System. Wahrnehmungen und 'kognitive Prozesse' können die Situationsrepräsentation verändern.
- Ein Gedächtnis
- Hauptfunktion des Gedächtnisses ist die Verfügbarhaltung von konzeptuellen und linguistischen Strukturen.
- Das Gedächtnis hat verschiedene aktive Schnittstellen, über die die Gedächtnisinhalte selektiert und modifiziert werden können. Solche aktive Schnittstellen sind z.B. das konzeptuelle und das linguistische System, wie auch die Bedürfnisse/ Emotionen und der Handlungsplaner.
- Da das Gedächtnis von denjenigen Komponenten, die auf es zugreifen, schwer abgrenzbar ist, wird es zunächst nicht als eigene Größe eingeführt. Es wird definiert über die verschiedenen Zugriffsweisen.
- Ein konzeptuelles System
- Basiseinheiten bestehend aus Merkmalen können zu Konzepten verallgemeindert werden.
- Basiseinheiten können als Instanzen von bestehenden Konzepten wiedererkannt werden.
- Bestehende Konzepte können zu noch allgemeineren Konzepten zusammengefaßt werden.
- Konzepte können als Instanzen von Konzepten erkannt werden.
- Haupttypen von Konzepten sind Objekte, Relationen, Prozesse und Situationen.
- Konzepte sind dynamische Größen, deren Struktur jederzeit verändert werden kann.
- Der Prozeß der Konzeptbildung wird getriggert durch den beständigen Fluß von Basis-Elementen, durch die Aktivitäten des Handlungsplaners, oder durch einen freilaufenden Prozeß (analog dem Träumen), der durch aktuell laufende, unabgeschlossene Prozesse induziert wird.
- Notwendiger Bestandteil eines konzeptuellen Systems, das Reflexion und Sprachfähigkeit ermöglichen soll, ist ein adaptives Selbstmodell des Agenten. Im adaptiven Selbstmodell werden sämtliche Daten, die sich auf den Agentenkörper beziehen lassen, zu einem kohärenten Modell zusammengefaßt. Dieser Prozeß unterliegt vielfältigen Beeinflussungen.
- Analog muß es ein adaptives Fremdmodell geben, durch das sich die Intentionen 'des anderen' modellieren lassen. Das Fremdmodell besteht aus einer Anwendung des Selbstmodells auf ein 'fremdes' Objekt unter Ausnutzung der Daten, die das Gedächtnis für dieses individuelle Objekt bereithält. D.h. der 'andere', das 'Du' ist eine Projektion des Selbstmodells auf ein fremdes Objekt.
- Bedürfnisse/ Emotionen
- Hauptfunktion der Bedürfnisse/ Emotionen sind die Selbsterhaltung und Weiterentwicklung des Agenten. Es wird angenommen, daß sämtliche Lernprozesse minimale Bewertungsprozeduren voraussetzen, die wiederum aus der triebhaften und emotionalen Dynamik hergeleitet werden müssen.
- Neben den perceptorischen Basis-Elementen gibt es u.a. die körperliche Bedürfnisse als Basis-Elemente. Dazu gehören z.B. Hunger, Durst, Müdigkeit, Sexualität.
- Weitere Bedürfnisse/ Emotionen sind Freude, Trauer, Angst, Neugierde, Vertrauen, Bedürfnis nach Nähe, und Nachahmungstrieb.
- Das Zusammenwirken der triebhaft-emotionalen Komponente mit den anderen Komponenten wird über zeitliche Korrelation und über die Indexierung von Strukturen gesteuert.
- Eine Handlungsplaner
- Der Handlungsplaner ist in der Lage, ausgehend von der aktuellen Situation potentielle Handlungsfortsetzungen zu konstruieren und zu bewerten. Der Handlungsplaner interagiert mindestens mit dem Gedächtnis und der triebhaft-emotionalen Komponente.
- Die Handlungspläne bestehen aus Handlungsatomen, die einerseits instinktiv-reflektorischen Zusammenhängen entstammen, andererseits durch Lernprozesse entstanden sind. Instinktive Zusammenhänge können bis zu einem gewissen Grad überschrieben werden.
- Ein linguistisches System
- Das linguistische System ist ein adaptives System, das relativ zu Situationsrepräsentationen und relativ zum konzeptuellen System Objekte, Relationen und Prozesse durch entsprechende Ausdrucksstrukturen kodiert.
- Das linguistische System orientiert sich primär an abstrakten Konzepten, deren möglichen Instanzen und Werte durch entsprechende konkrete linguistische Ausdruckswerte repräsentiert werden.
- Die Herausbildung des linguistischen Systems ist inkrementell und setzt ein hochentwickeltes konzeptuelles System voraus.
- Es wird nun angenommen, daß 'linguistisch relevante Ereignisse' zunächst als sensorische Ereignisse auftreten, die sich als solche von anderen sensorischen Ereignissen unterscheiden und klassifizieren lassen.
- Mit Hilfe des dynamischen Situationsmodells wird das 'linguistisch relevante Ereignis' dann als Teil einer Inter-Objekt-Beziehung lokalisiert.
- Die Inter-Objekt-Beziehung wird dann in Beziehung gesetzt zum aktuellen Selbst- und zum aktuellen Fremd-Modell. Gelingt es, die Inter-Objekt-Beziehung relativ zu den 'Intentionen' der beteiligten Objekte in irgendeiner Weise als 'linguistisch relevantes Ereignisse' zu klassifizieren, kann das linguistisch relevante Ereignisse im Hinblick auf eine 'mögliche Bedeutung' interpretiert werden. Bedeutungen sind immer Konzepte, wobei linguistische Ausdrücke selbst Konzepte sein können.
- Sofern wenigstens eine mögliche Bedeutung gefunden werden kann, kann diese dekodierte Beutung für weitere kognitive Prozesse benutzt werden.
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