Bewußtseinssimulatoren als Instrumente der Linguistik?
AUTHOR: Dr. Gerd Döben-Henisch
FIRST DATE: June-13 1996
DATE of LAST CHANGE: June-13 1996
Physiologisch erweiterte Verhaltenstheorie (Physiologische Psychologie und Neuropsychologie)
- Eine Möglichkeit, die Datenbasis zu verbreitern, würde darin bestehen, physiologische Daten, speziell neurophysiologische Daten, einzubeziehen. Nach Meinung einiger zeitgenössischer Gehirnforschern ist die Korrelation zwischen physiologischen Tatbeständen und bewußten Zuständen in einer Weise notwendig und spezifisch, daß dies die Konstruktion einer physikalischen Theorie des Geistes erlaubt. Insofern die Sprachtätigkeit zwangsläufig ein Teil des Geistes ist, impliziert diese These die zusätzliche Behauptung, daß eine physikalische Theorie des Sprachhandelns möglich sei (ROTH/ SCHWEGLER 1992, ROTH 1994, ROTH/SCHWEGLER 1995).
- In einer erweiterten Verhaltenstheorie Tsnr, wie sie z.B. in der physiologische Psychologie und in der Neuropsychologie praktiziert wird, werden die 'internen' Strukturen und Prozesse des Verhaltenssystems mit einbezogen. Auf diese Weise entstehen zusätzliche interne Datenklassen Io, ..., In im Innern des Systems.
- Mit dieser Erweiterung lassen sich Datensätze bilden, die das beobachbare Verhalten sowohl in Beziehung setzen zu beobachtbaren Stimuli wie auch zu internen physiologischen Zuständen; Data = {(S,I,R), ..., (S,I,R)}.
- Aufgrund der Daten lassen sich in der Regel zahlreiche spezielle Funktionen f0, ..., fn definieren, die zusammen die Systemfunktion eines Sprechers-Hörers ergibt; f= f_aff + f_n + f_eff mit SUBSET(F_aff, S x pow(i)), SUBSET(f_n, pow(I) x pow(I)), SUBSET(f_eff, pow(I) x R) und f_aff: S ---> pow(I), f_n: pow(I) ---> pow(I), f_eff: pow(I) ---> R.
- Die Theorie Tsnr = < <S, R, Io, ..., In >, <f_aff, f_n, f_eff, f>, A > enthält dann neben einem erweiterten Objekttupel zahlreiche theoretische Terme in Gestalt von Funktionen.
- Obgleich die Proponenten einer physiologisch erweiterten Verhaltenstheorie davon ausgehen, daß eine solche Theorie die nötigen Erklärungsleistungen für den Bereich des Geistes ganz allgemein wie auch für die Sprachtätigkeit im Besonderen zu leisten vermag, muß man aber doch -trotz der zugestandermaßen erweiterten Aussagekraft einer solchen Theoriebildung- auf einige erhebliche Defizite mit Bezug auf die vorliegende Fragestellung hinweisen.
- Die prinzipielle Schwächer einer physiologisch erweiterten Verhaltenstheorie im Hinblick auf die Problematik der sprachlichen Bedeutung besteht in dem Mangel einer direkten Beziehung zum 'Erleben' bzw. zum 'Bewußtsein', das hier als konstitutiv für das alltägliche Sprachhandeln unterstellt wird. Ohne Rückgriff auf 'seine' individuellen Erlebnisbestände ist ein Sprecher-Hörer weder in der Lage, irgendetwas zu lernen, noch etwas Gelerntes situationsbezogen 'bewußt' anzuwenden.
- Das individuelle Erleben ist eine Dimension sui generis (SEARL 1992), die sich nur in Form von 1.Person-Aussagen (NAGEL 1979) artikulieren können. Im Rahmen von physiologisch erweiterten Verhaltenstheorien kann man zwar Selbstaussagen von Versuchspersonen in die Datenerhebung einbeziehen, doch liegen objektiv nur Ausdrucksmanifestationen vor; die supponierte 'Bedeutung' existiert nur als von 'außen' unterstellte Hypothese. Die Einbeziehung solcher Fremdaussagen führt nicht über das S-R-Schema hinaus. Für die differenzierten und komplexen Vorgänge im Rahmen von Sprachlernprozessen ist ein solches Datenmaterial zu dürftig.
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