KIP und Searle's 'The Rediscovery of the Mind'

AUTHOR: Dr. Gerd Döben-Henisch
FIRST DATE: Oct-9, 1995
DATE of LAST CHANGE: Oct-9, 1995



The Rediscovery of the Mind


  1. SEARLE beginnt seine Untersuchungen mit der Feststellung, daß jene Tatsachen, die mit 'Geist' oder 'Bewußtsein' zu tun haben, in der Philosophie des Geistes der letzten 50 Jahre durchweg verleugnet werden <p.3>. Als einzelne Person genommen, erscheint SEARLE die Philosophie des Geistes als ein 'kompulsiver Neurotiker' <p.31>.
  2. Trotz dieser massiven Ablehnung stellt das Phänomen des Bewußtseins und der Intentionalität nach SEARLE das zentrale Phänomen dar, in dem sich die Geistigkeit des Menschen manifestiert <p.xi>. Das Bewußtsein ist für die Geistigkeit des Menschen 'intrinsisch' und damit 'nicht eliminierbar' <p.xiii>. Alle anderen geistigen Begriffe sind nur über ihren Bezug zu eben diesem Begriff des Bewußtseins verstehbar <p.84>.
  3. Die epistemische und ontologische Besonderheit des Bewußtseins rührt daher, daß Bewußtsein an Personen gebunden ist, an die Art und Weise, wie jeder einzelne Wirklichkeit 'für sich' in der Perspektive der ersten Person erlebt <pp.16-18>.
  4. Die Zustände, die jemand im Rahmen seiner Ich-Perspektive unterscheiden kann, haben eine irreduzible subjektive Ontologie; dies qualifiziert sie als geistige/ bewußte Zustände <pp.19, 20, 116-121>.
  5. Jeder Versuch, bewußte Zustände aus einer Beobachterperspektive, also als dritte Person, zu beschreiben, muß fehlschlagen, da die charakteristischen Eigenschaften bewußter Zustände nur in der Ich-Perspektive zugänglich sind <p.20>. Beobachtbares Verhalten kann nur dann Hinweise auf bewußte Phänomene liefern, wenn man auf ein Erklärungsmodell zurückgreifen kann, das Verhaltensdaten in Beziehung setzt zu Bewußtseinsdaten. Diese Bewußtseinsdaten müssen aber unabhängig von den zu erklärenden Verhaltensdaten gegeben sein <pp.22,23>. M.a.W. wenn man die genuinen Bewußtseinsdaten nicht von Anfang an in den theoretischen Erklärungsrahmen einbezieht, dann gibt es keine Möglichkeit, diese nachträglich aus reinen Verhaltensdaten abzuleiten. Man muß also von Anfang an Bewußtseins-Phänomene genauso akzeptieren wie man Verdauungs- oder andere Phänomene akzeptiert, will man der Gesamtheit der Phänomene gerecht werden <pp. 8,29>.
  6. Bewußtseinsphänomene sind primäre Daten, die sich nicht über andere Daten definitorisch einführen lassen. Man kann sie daher nur exemplarisch aufweisen <p.83>.
  7. Es gibt unterschiedliche Grade von Bewußtheit <p.83>.
  8. Bewußtsein ist immer 'Bewußtsein von etwas' <p.84>. Von dieser allgemeinen Inhaltsbezogenheit von Bewußtsein will SEARLE Intentionalität als einen speziellen Fall abheben, nämlich dann, wenn dieses 'etwas' zugleich 'über sich selbst hinaus' auf etwas anderes (und zwar auf ein 'reales' Objekt) verweist <p. 84>.
  9. Bewußte Phänomene haben die gemeinsame Eigenschaft, daß sie 'subjektiv' sind <p. 93>; ein bewußtes Phänomen gehört immer zu einem bestimmten Bewußtsein, dieses wiederum zu einer bestimmten Person, ein Faktum, das einen besonderen Blickpunkt, eine besondere Perspektive induziert <p. 95>.
  10. Wenn wir versuchen wollen, unser Bewußtsein zu beschreiben, dann bleiben wir bei dem hängen, 'von dem wir bewußt sind' <p.96f>; das, von dem wir bewußt sind, das sind die 'Inhalte des Bewußtseins', die 'Phänomene'. Das 'Bewußtsein als solches' komplementär zu den Phänomenen können wir nicht so wahrnehmen, wie die Phänomene selbst <p. 97, 98f>.
  11. Dennoch können wir unsere Aufmerksamkeit auf die 'Art des Bewußthabens' von Bewußtseinsinhalten richten. Und da diese Möglickeit in jedem beliebigen Bewußtseins-Zustand gegeben ist, können wir sagen, daß jeder Bewußtseinszustand ein 'selbst-bewußter' Bewußtseinszustand ist. M.a.W. wir können die Aufmerksamkeit jederzeit vom Inhalt einer bewußten Erfahrung zur Erfahrung selbst lenken <p. 143>.
  12. Die allgemeine form über unsere bewußten Zustände nachzudenken, ist die Introspektion <p.144>.
  13. Bewußtsein besteht in den Erscheinungen ('appearances') selbst. Die Erscheinung ist die Realität <pp.122, 146>.
  14. Der Raum der Bewußtseins-Inhalte ist auf vielfältige Weise strukturiert:
    1. Es gibt nur endlich viele Modalitäten <p.128>.
    2. Es gibt eine (transzendentale) Einheit in der Apperzeption <p.130>.
    3. Die Intentionalität besitzt einen Aspekt-Charakter ('as is', 'So sein') <p131>.
    4. Es gibt Gestalt-Tatsachen <p.133>.
    5. Unsere Wahrnehmung läuft über Kategorien, die das Wahrnehmungsmaterial strukturieren und Ähnlichkeitsbeziehungen (und damit Wiedererkennen) ermöglichen <p. 135f>.
    6. Gedanken sind assoziativ <p. 137>.
    7. Im Rahmen der Aufmerksamkeit kann man ein Zentrum und eine Peripherie unterscheiden <p. 138>.
    8. Es gibt unterschiedliche Gemütszustände <p.140>.
    9. Es gibt in den meisten Modalitäten die Dimension 'angenehm/ unangenehm' <p.141>.
    10. Kommunikativ relevante sprachliche Bedeutung entsteht durch ein Zusammenspiel von 'literaler' Bedeutung, aktueller Situation und Hintergrundwissen <p.179f>.


Einige zentrale Annahmen im Anschluß an 'The Rediscovery ... '


  1. AXIOM: Wenn man überhaupt Bewußtseinstatsachen akzeptiert, dann akzeptiert man die Tatsache, daß ein bewußter Mensch über ein Erleben verfügt, innerhalb dessen er verschiedene Zustände Z1, .., Zn unterscheiden kann und er sich darüberhinaus auch bewußt ist, daß er diese Zustände erlebt. Solcherart 'erlebte Zustände' können als 'Inhalte eines Bewußtseins' aufgefaßt werden. Neben den Inhalten selbst kann ein bewußter Mensch in der Regel auch unterschiedliche Arten und Weisen unterscheiden, wie er etwas erlebt. Mit dem technischen Begriff des Phänomens soll im folgenden jede Art von möglichem Bewußtseinsinhalt verstanden werden, sowohl 'direkte Inhalte' wie auch die 'Art und Weise, wie man etwas erlebt'.
  2. AXIOM: Phänomene sind primäre Gegebenheiten und als solche real. Phänomene als solche sind weder 'wahr' noch 'falsch', weder 'gut' noch 'schlecht'. Phänomene erlangen eine 'Bedeutung' nur durch die Einbettung in übergreifende Zusammenhänge, die ihnen sowohl Funktionalität wie auch Wertigkeit verleihen können. Neben bewußtseins-intrinsischer Funktionalität gibt es die konstruierte Funktionalität; letztere kann der 'Eigendynamik' der Phäbomene mehr oder weniger adäquat sein; mangelnde Adäquatheit korrespondiert mit 'falschen Weltbildern'.
  3. AXIOM: Phänomene lassen sich sowohl anhand der phänomen-intrinsischen Eigenschaften wie auch anhand von assoziierten Funktionalitäten klassifizieren. Zwei wichtige Grundunterscheidungen betreffen (i) selbstverursachte Phänomene und nicht-selbstverursachte (= fremdverursachte) Phänomene, sowie (ii) mein Körper und anderer Körper. Auf dieser Basis lassen sich dann die beiden wichtigen Unterscheidungen von intersubjektiv (öffentlichen) Phänomen sowie subjektiv (privaten) Phänomenen bilden.
  4. AXIOM: Die Vielfalt und Veränderlichkeit des Erlebnisstromes im Rahmen eines Bewußtseins hat einen gemeinsamen Referenzpunkt, der hier mit ICH bezeichnet werden soll. Das ICH ist weder ein bestimmtes Objekt noch eine bestimmte Substanz sondern einfach der formale Bezugspunkt für die unterschiedlichen Phänomene. In Äußerungen wie 'ICH sehe X', 'ICH höre X', 'ICH denke X' etc. bildet das ICH das formale Subjekt einer Beziehung, in der bestimmte Eigenschaften oder Aktivitäten von eben diesem Subjekt ausgesagt werden, ohne daß dieses ICH ein konkreter Gegenstand ist. Im größeren Zusammenhang bezeichnet das ICH die Gesamtheit aller Phänomene samt dem zugehörigen Erleben, durch die das ICH sich 'artikuliert' bzw. 'sich mit sich selbst vermittelt'.



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