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Zu einer natürlichen Sprache gehört neben dem Ausdrucksmaterial (Laute, Zeichen) auch das, was die sprachlichen Ausdrücke `bezeichnen', was sie `sagen' und das, was sie dadurch `bewirken', daß man sie benutzt. Diese über das reine Ausdrucksmaterial hinausgehenden Aspekte eines sprachlichen Ausdrucks sollen hier vereinfachend die `Bedeutung' eines sprachlichen Ausdrucks genannt werden.
Für uns Menschen hängt die sprachliche Bedeutung durchgängig mit unserem Selbst- und Weltbezug zusammen.
Für die Knowbots von BW1 steht ein Selbst- und Weltbezug nur in dem Umfang zur Verfügung, wie ihn das zuvor geschilderte informiert lernfähige reaktive System bereitstellt. Wie sich im weiteren Verlaufe zeigen wird, ist diese Struktur für die Realisierung differenzierter Bedeutungsstrukturen, wie wir sie aus der menschlichen Alltagssprache kennen, noch bei weitem zu einfach. Nur primitivste Benennungen und einfachste 1-, 2-, 3-Wort-Sätze sind möglich.
Das Sprachmodul verfügt über mehrere Teilmodule. Eine wichtige Basiseinheit bildet das Lexikon, das unterschiedliche Teilfunktionen umfaßt. Ein Wortgenerierer versucht aus einer Menge elementarer Laute und Intonationsmustern Phonemsequenzen zu bilden, die im Lexikon gesammelt werden. Im Lexikon können sich aber nur solche Phonemsequenzen halten, die innerhalb eines bestimmten Zeitintervalls von auß en `bestätigt' werden. Ein Wort-Objekt-Generierer bildet Wort-Objekt-Hypothesen, d.h. er versucht Worte mit Zuständen oder Handlungen zu verknüpfen. Die aktuelle Situation besitzt für solche Hypothesenbildungen dabei Priorität. Auch die Wort-Objekt-Hypothesen können sich nur halten, wenn sie `von außen' bestätigt werden.
Um die Grammatik zu verstehen, muß man sich klar machen, welche Aufgabenstellungen innerhalb einer sprachlichen Kommunikation zu bewältigen sind. Grundsätzlich wird in BW1 zwischen Sprechen und Hören unterschieden. Bild 4 demonstriert den Fall des Sprechens:
Bild 4: BW1 - SPRECHEN
Ausgehend von dem interpretierten sensorischen Plan ( interpreted sens-map [ISMAP]), werden von einem Pragmatik-Modul |genannt language map [LMAP]| die Unterscheidungen zwischen Sprecher und potentiellem Hörer erarbeitet sowie verschiedene Beziehungen, die aktuell zwischen dem Sprecher, seiner Umgebung und dem Hörer bestehen. Als Ergebnis gibt es Vorschläge für verschiedene Sprechakte. Nachdem ein Sprechakt ausgewählt worden ist, werden dann im Lexikon jene Objekte aktiviert, die in den Sprechakt eingehen sollen. Die Wortformen des Lexikons einschließ lich diverser lexikalischer Kategorien verweisen dann auf die Grammatik. In dieser gibt es grammatische Regeln, die festlegen, wie Worte einer bestimmten lexikalischen Kategorie unter Berücksichtigung ihrer Objektindizierung und unter Berücksichtigung eines bestimmten Sprechaktes miteinander kombiniert werden können. Das Ergebnis ist dann eine konkrete Folge von Wortformen, die dann als konkrete Äußerung `zu hören' ist.
Das Bild 5 demonstriert den umgekehrten Fall, das Hören einer Äußerung. Dieser Fall stellt erheblich höhere Anforderungen als das Reden.
Bild 5: BW1 - HÖREN
Ein vom Hörer verschiedener Sprecher sagt `Ich gehe'. Die Regelschemata der Grammatik liefern zunächst eine erste Zerlegung der Wortfolge in einzelne Elemente, die über das Lexikon auch wieder auf entsprechende Objekte verweisen können. Mit Hilfe der LMAP versucht der Hörer gleichzeitig, den potentiellen Sprecher und die daraus sich ergebenden Relationen zu ihm selbst zu erfassen, um damit mögliche Sprechaktformen zu ermitteln. In diesem Zusammenhang muß er eine ziemlich komplizierte Transferleistung erbringen, insofern er nämlich das dem Wort `Ich' zugeordnet Ich-Objekt als Modell für ein anderes Objekt `ansehen' muß. Entsprechend sind die an der Äußerung `Ich gehe' zugänglichen Aspekte auf das Fremd-Ich-Objekt und dessen Beziehungen zur Umgebung zu übertragen.
Es sei darauf hingewiesen, daß der alltagssprachliche Verstehensbegriff erheblicher umfangreicher ist als der oben skizzierte sprachliche Dekodierungsvorgang während der grammatischen Analyse einer Äußerung. Im Alltag führt das Ergebnis der sprachlichen Erkennung in der Regel zu weiteren Erkenntnisprozessen wie z.B. Schlußfolgerungen, Analogieschlüssen und bildhaften Assoziationen. Von diesem allgemeinen Verstehensbegriff ist das rein sprachliche Verstehen als ein |wenngleich notweniger| Teilprozeß abzugrenzen. In den Knowbots von BW1 konnte aufgrund der sehr knappen Zeit nur das sprachliche Verstehen realisiert werden und auch dies nur in ersten Ansätzen.
Dadurch, daß in BW1 alle Beteiligten blind sind, kann das Erlernen von Zusammenhängen zwischen Sprachzeichen und beliebigen Wahrnehmungsereignissen nur insoweit `von außen' beeinflußt werden, als es möglich ist, durch das Moment der Gleichzeitigkeit einen potentiellen Zusammenhang zwischen Teilen einer sprachlichen Äußerung und Teilen der Wahrnehmung bzw. Teilen des aktuellen Situationsmodells herzustellen. Durch den Ausfall des Sehsinns muß die mangelnde Eindeutigkeit dieses Vorgehens häufig durch ergänzende Tastwerte ausgeglichen werden, was nicht immer ganz einfach ist.
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