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1936 erschien die berühmte Arbeit On computable numbers with an Application to the Entscheidungsproblem von Alan Matthew TURING. Mit dieser Arbeit beantwortete er nicht nur die Frage nach der Entscheidbarkeit der Mathematik, die HILBERT 1928 explizit gestellt hatte, negativ, sondern er stellte in ihr auch eine Definition von berechenbaren Prozessen vor, die schon zu seinen Lebzeiten unter der Bezeichnung Turing Maschine [TM] zum Allgemeingut der Mathematiker und Logiker wurde. Für GÖDEL war die TM die befriedigenste aller vorgeschlagenen Definitionen eines `mechanischen Verfahrens' (DAVIS 1965:72 Anmk).
Mit dem Konzept der Turing Maschine, insbesondere mit ihrer verallgemeinerten Form, der Universellen Turing Maschine [UTM], verbindet sich die Hypothese, daß sich alle berechenbaren Prozesse durch sie darstellen lassen.
TURING war mit seiner idealen Maschine den technischen Möglichkeiten seiner Zeit weit voraus, desgleichen mit seinen praktischen und philosophischen Visionen, zu denen er durch sein neu gefundenes Konzept angeregt wurde.
Seine von vielen als provozierend empfundenen Überlegungen lassen sich vor allem zwei Themenkreisen zuordnen: (1) Bau eines elektronischen Gehirns und (2) Wie können Computer lernen?
Trotz seines starken Interesses für konkrete Physiologie und speziell auch Neurophysiologie - schrieb er doch 1952 eine der ersten bahnbrechenden mathematischen Arbeiten zur Chemie der Morphogenese -lehnte er es ab, die physiologischen Strukturen des Gehirns in der Hardware zu imitieren. Er war vielmehr an der Analyse der logischen Struktur des Gehirns interessiert und er ging davon aus, daß sich jedes stetige System mit beliebiger Genauigkeit durch ein diskretes System annähern läßt. Diese Annahmen eröffneten die Perspektive, ein durch diskrete Zustände approximiertes Gehirn durch eine UTM zu simulieren.
Auf der Basis einer solchen strukturellen In-Beziehung-Setzung von menschlichem Gehirn und UTM lagen natürlich auch Überlegungen zu einer möglichen Imitation der menschlichen Intelligenz durch eine UTM nahe. Schon 1941 hatte sich TURING mit der Frage von schachspielenden Maschinen beschäftigt und diese Fragen dann dahingehend ausgedehnt, wieweit eine Maschine, d.h. eine UTM, im allgemeinen Sinne lernen könne.
Bei der Verfolgung dieser Frage wirkt TURING ein wenig zwiespältig (Siehe dazu (TURING 1948) und (TURING 1950)).
Einerseits ist er sich offensichtlich bewußt, daß zu einer allgemeinen Lernfähigkeit, so, wie sie der Mensch besitzt, ein entsprechend elaborierter Weltbezug gehört. Man müsse eine solche Maschine mit Fernsehkameras, Mikrophonen, Lautsprechern etc. ausstatten, damit sie möglichst umfassend zu Interaktionen mit der Außenwelt fähig sei, ebenso müß te sie `über Land streifen können', sie müsse `Eigeninitiative' besitzen, sie müsse `trainiert' und `unterrichtet' werden, kurzum alles, was ein menschliches Kind zur Verfügung hat, um zu lernen, das müsse man auch einer Maschine zur Verfügung stellen.
An anderen Stellen sprach er sich allerdings dagegen aus, den Menschen in seinen natürlichen Eigenschaften übermäßig imitieren zu wollen. Auch Maschinen mit einem reduzierten Körper waren für ihn interessante Kandidaten.
Das Erkennen des Vorliegens von `künstlicher Intelligenz' sollte mittels des Kriteriums der Imitation gewährleistet werden. Immer dann, wenn ein Mensch in einem ausschließlich durch einen über ein Terminal geführten Dialog zur `Meinung' käme, daß der Gesprächspartner ein Mensch sein könnte, dann könnte man auf die `künstliche Intelligenz' auch die Beschreibungsprädikate anwenden, die man sonst nur auf den Menschen anwenden würde.
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© 1995 Gerd Döben-Henisch, INM Frankfurt