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Performative Wissenschaft am INM-Institut für Neue Medien

Grundlagenforschung
Das Thema "Kunst und Wissenschaft" (K&W) ist im 21. Jahrhundert erneut virulent. Dass die beiden "Kultur-Welten" in der griechischen Philosophie, von den Vor- bis zu den Nachsokratikern und abermals in der Renaissance, im Speziellen bei Leonardo Da Vinci, quasi als eins gedacht wurden, hat nicht ihre Spaltung verhindern können. Vor allem aus der so genannten Medienkunst heraus haben sich jedoch nun zahlreiche Künstler ganz explizit dem Thema K&W verschrieben. Es gibt sogar neue Fachbereiche an Kunsthochschulen, die durch ihre Namensgebung wie "Kunst als Forschung" oder "Interface-Cultures" ihre Nähe zur Wissenschaft ausdrücken. Umgekehrt glauben Wissenschaftler nicht nur aufgrund ihrer kreativen Vorgehensweisen, sondern auch durch den Einsatz sinnlicher Darstellungen (Bild, Ton, Haptik, etc.) eine Ästhetik zu pflegen, die Kunstcharakter hat.

Screens Performative Science

Liquid Perceptron ? Einstein on the Beach - 2005;
Quantenspiegel - 2005;
EyeVisionBot - 2005;
"Performative Science and Beyond"


Es fällt auf, dass die Wissenschaftler unter dem Begriff der Ästhetik zumeist die Schönheit ihrer Formeln und Darstellungen, beispielsweise die fraktalen Strukturen, thematisieren. Künstler hingegen reden nur in seltenen Ausnahmefällen vom "Schönen". Das "Schöne" der Wissenschaft resultiert aus den sich in ihren Modellen offenbarenden "göttlichen Symmetrien und Selbstähnlichkeiten".

Die aus der Symmetrie folgende, so genannte Invarianz ihrer Modelle ist hierbei wesentlich. Sie müssen auf die gestrige, heutige und morgige Physik anwendbar sein. Neben der zeitlichen Wiederholbarkeit der Experimente beruht die ganze Physik auf Ableitung von Erhaltungsgrößen und dem Auffinden von "ewig" gültigen Gesetzen, die geradezu im Widerspruch zur Erklärung des Auftauchens völlig neuer Phänomene steht. Dagegen stand die Kunst insbesondere der Moderne unter dem Diktum, innovativ sein zu müssen. Was bis heute gilt, ist die Tatsache, dass jeder Definitionsversuch von Kunst alsbald innerhalb der Kunst ad absurdum geführt wird. Die "Regeln" der Kunst lassen sich nicht als invariante Eigenschaften erfassen.

Nun ist bereits in der Mitte des 20. Jahrhunderts sowohl der Genie-Kult der Kunst aufgehoben worden, der mit dem genialen Hervorbringen des Neuen und bisher nicht Gedachten in engster Verbindung stand und mit der Synergetik und Chaosforschung auch die nach ehernen Gesetzen suchende Gegenseite zu neuen Ufern aufgebrochen. "Selbstorganisation" und "Emergenz" sind unscharfe Begriffe der in die neuen nichtlinearen Formeln der Chaosforscher hinein interpretierten Rettungsversuche, auch das Auftauchen des Unerwarteten gesetzmäßig zu erklären. Diese Begriffe werden auch in der Philosophie und in der Kunst aufgegriffen.

"Performative Wissenschaft", wie sie am Institut für Neue Medien in Frankfurt erforscht und umgesetzt wird, möchte nicht den unmöglichen Versuch unternehmen, Kunst und Wissenschaft zu vereinigen. Vielmehr geht es darum, die Komplementarität der beiden Kulturen fruchtbar zu nutzen, indem gewissermaßen ein Oszillieren zwischen den Disziplinen erlaubt und gefördert wird. Organisationswissenschaften, Wissensmanagement oder Forschungsbereiche, die sich Kompetenzforschung nennen, gesellen sich heute zur schon fast traditionellen Zukunftsforschung, deren erklärtes Ziel (unter anderen) ist, "Regeln" für eine innovative Umgebung zu schaffen.

Natürlich geht die "performative Wissenschaft" über die Forderung hinaus, Künstler in wissenschaftliche, ökonomische, politische und weitere Projekte einzubinden, quasi als Partner, die sich besonders auf den Perspektivwechsel verstehen. Es wird ganz konkret an einem Interface-Design gearbeitet, das in einem möglichst geringen Umfang von Benutzer-Modellen ausgeht und statt dessen Freiheitsgrade für einen Prozess, hier als "nicht-invariante Dynamik" verstanden, ermöglicht. Viele der heute im elektronischen Raum (eingebaut in die Software auf dem eigenen Computer oder im Internet flottierend) im Einsatz befindlichen intelligenten adaptiven Algorithmen, so genannte Bots, versuchen auf Grund eines adaptiv erstellten Benutzerprofils dessen/deren Handlung zu antizipieren und schränken ihn/sie auf wenig innovative Handlungsräume ein.

Neben den erwähnten "Navigations-Werkzeugen" im "Datenraum" werden auch konkrete Konzepte für wissenschaftliche Forschung im Bereich der Erforschung komplexer Systeme, insbesondere kognitiver Vorgänge, erstellt. Das Wesentliche hierbei ist abermals, den kreativ handelnden Menschen in das Modell einzubinden. Hier sind konkret künstlerische Ansätze gefragt, wie sie beispielsweise häufig aber nicht ausschließlich in der interaktiven Medienkunst anzutreffen sind. Es wundert daher nicht, dass zusammen mit Künstlern Museums-Installation entworfen werden und das Museum quasi als "genius loci" gesehen wird, wissenschaftliche Feldstudien, gepaart mit dem über eine bloße Didaktik hinausgehenden Angebot an die Museumsbesucher zur Auseinandersetzung mit wissenschaftlichen Konzepten, durchzuführen.

Unter "OPERATIONALER HERMENEUTIK" verstehe ich eine Wechselbeziehung zwischen Technik und Hermeneutik. Technik wird hier im Wesentlichen als ein Resultat wissenschaftlicher Forschung betracht. Ein adaptives Werkzeug für data mining beispielsweise kann zur Erzeugung neuer Hypothesen und/oder Interpretationen beitragen. Hermeneutik, stark vereinfacht als die Theorie des Verstehens betrachtet, kann ihrerseits nicht ohne mediale und technische Werkzeuge diskutiert werden. Ein großes Gefahrenpotential der Technik ist jedoch ihre Tendez zur Verdinglichung. Daher plädiert die Operationale Hermeneutik für ein selbst-reflexives Moment in Wissenschaft und Technologie.

Aus den beiden Konzepten "performative Wissenschaft" und "operationale Hermeneutik", leite ich Evidenz ab, dass die Naturwissenschaften selbst hermeneutisch sind, dessen Diskussion aber ein umfangreiches Unterfangen ist.

Frankfurt am Main, 27. Januar 2006
Hans H. Diebner

Dossier"Performative Science - Reconciliation of Science and Humanities or the End of Philosophy?" Ein Dossier, herausgegeben von Hans H. Diebner.

PSPerformative Science Website

PS-AusstellungAusstellung März/April 2011: Performative Wissenschaft und Virealität

PS-MuseumsnachtNacht der Museen Mai 2011 mit Performative Science



Performativ-wissenschaftliche Installationen / Performative Science Installations:




Wir freuen uns sehr, dass unser Projekt "performative Wissenschaft" in der externer LinkEconomy Austria besprochen wurde!



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